Familie Riechen - Törnbericht Greifswalder Bodden

Segelurlaub Sommer 2005 Ostsee - Greifswalder Bodden

Dieses Jahr hatten wir keine Lust, uns wie im Sommer 2004 stundenlang samstags über den Rügendamm zu quälen. Im Internet fanden wir in Greifswald die Firma Yachtcharter Grünke. Wir wollten diesmal etwas mehr Platz haben (letztes Jahr war die Sun Odyssee 32.2 uns zu klein) und viel Bequemlichkeit (Rollgroß, Rollfock, Autopilot, Ankerwinsch).

Unser Charterboot "Antares"

Die Preise lagen im üblichen Rahmen, also haben wir die "Antares" gebucht, eine Dufour 36 CC. Das CC steht für CenterCockpit, d.h. das Cockpit ist sehr hoch und gleich hinter dem Mast gelegen.

Das CenterCockpit schafft riesig viel Platz in der hinteren Kajüte (Stehhöhe),

aber dafür stößt sich der Rudergänger ständig den Kopf am Baum:

Der Abstand zwischen dem überdimensionierten Rad und der Sprayhood ist auch für dünnere Segler als uns konzipiert worden:

Fazit: nie wieder CC.

Die Übergabe verlief problemlos. Es war die kürzeste Übergabe, die ich je erlebt habe.

Wer gern genaue und ausführliche Erklärungen haben möchte, der sollte lieber nicht bei Herrn Grünke chartern. Aber wer schnell weg will, wird optimal bedient. ;-)

Von Greifswald nach Rügen

06. bis 07. August 2005

Wir mögen keine vollen Häfen. Eigentlich mögen wir überhaupt keine Häfen.

Ein Bootsurlaub bietet die Chance, mit 50m Sicherheitsabstand zu anderen Menschen den Anker zu werfen. Hier hat man seine Ruhe. Dichter wird nicht geankert, man will ja nicht bei einer Winddrehung in der Nacht zusammenstoßen.

Wer das Schnarchen der Nachbarn und das mehr oder weniger freundliche "Guten Morgen" verschiedener Leute im Trainingsanzug auf dem Weg zum Örtchen mag, der kann sich auch in den Hafen legen. Für Mitbürger mit solchen Vorlieben empfehle ich aber eher einen Campingplatz, da entfallen die Chartergebühren und man hat das Vergnügen viel billiger.

Also verschwanden wir nach der Einweisung (offizielle Übergabe Samstag 17:00 Uhr) so schnell wie möglich, um die Brückenöffnung in Wiek um 16:30 noch zu schaffen. Weil wir uns zu sehr beeilt hatten, mussten wir vor der Brücke "bremsen" und 10 Minuten "parken". Das Bremsen mit einem Boot ist schwierig. Das Parken mitten auf dem Ryck ist noch schwieriger. Der Wind kam mit 4 schräg von achtern.

Eine Alternative wäre Anlegen gewesen, aber die Spundwände machen immer so hässliche Schrammen an dem schönen weißen Gelcoat, wenn man die Fender an der falschen Stelle platziert. Und diese Schrammen mag Herr Grünke nicht. Also mit kleinen Schüben rückwärts versuchen, das Boot in der Mitte des Ryck zu halten...

Der Abstand zum von hinten aufkommenden Plattbodenschiff wurde immer geringer, das sorgte für zusätzliche Spannung.
Der Brückenwärter mochte die hereinkommenden Boote mehr als uns, also erst mal statt zwei roter Lichter ein rotes Licht. Das steigert die Spannung weiter!

Dann endlich grün. Weil ja auch schon viel größere Kähne durch diese Brücke gefahren sind, haben wir uns gesagt, dass wir eigentlich durchpassen müssten. Wenn man sich keine Sorgen macht, geht das auch gut.

Der Wind schob einige kleine Wellen auf dem Bodden vor sich her. Weil wir ruhig schlafen wollten, fiel der Anker gleich vor dem Badestrand Eldena, hier war es noch schön still.

Bei Wind 3 bis 4 in der Nacht konnten wir auch fast ruhig schlafen. Bis auf das Gepiepe irgendwann gegen früh um 4. Der Wind hatte sich gedreht und der Ankeralarm vom GPS schlug an. 20m Drift war wirklich etwas wenig. Das nächste Mal stellen wir mehr ein.

Der Sonntag begann mit durchwachsenem Wetter und Windstärke 4 aus West. Nach dem Frühstück suchten wir uns als Ziel die Having aus. Diese Bucht liegt im Südosten von Rügen und bietet guten Schutz vor Wellen aus allen Richtungen. Das Aufholen des Ankers mit elektrischer Ankerwinsch ist sehr komfortabel. Aber es fehlt noch eine Ankerkettendusche sowie eine automatische Ankerentschlammungsanlage. Wenn Marco mal groß ist, wird er sicher so etwas erfinden. Bis dahin müssen wir weiter die Pütz bemühen.

Nun ging es an das nächste Spielzeug: Das Rollgroß ließ sich aus- und auch wieder einrollen. Toll.

Der Autopilot steuerte zwar 20° neben dem gewünschten Kurs, aber das sehr konstant. Gut, also direkten Kurs +20° auf die Having. Vor uns steht eine schwarze Wolkenwand. Hinter uns steht auch eine schwarze Wolkenwand. Über uns ist blauer Himmel und die Sonne scheint. Die Wellen kommen quer. Das Rollen führt zwar nicht zu echter Seekrankheit, aber die Crew wird doch etwas müde. Das Groß wollen wir nicht voll ausrollen, weil wir nicht wissen, wie viel Wind in der Wolke hinter uns steckt. Also geht es mit gemütlichen 5 Knoten in Richtung Rügen.

Das Wetter ist uns freundlich gesonnen. Die ersten Regentropfen fallen gemeinsam mit dem Anker in der Having. Aber der Regen verschwindet schnell wieder, und wir können einen schönen Regenbogen sehen.

Der Ankerplatz ist optimal. Das Wetter beruhigt sich und wir hoffen darauf, dass vielleicht doch noch richtiges Sommerwetter kommt.

Von Rügen nach Peenemünde

08. bis 10. August 05

Der Montag bringt Windstille und Sonnenschein. Nach einem gemütlichen Frühstück kommt allerdings der Dämpfer durch den Wetterbericht: Die nächsten Tage soll es Starkwind geben. Also wird es nichts mit Rund Rügen oder auch nur Saßnitz. Windgeschützt ist der Peenestrom, damit steht das Ziel fest: Peenemünde.

Um keine Bekanntschaft mit den unangenehmen Steinen vor Thiesow zu machen, fahren wir den ausgetonnten Umweg durch den Bodden.

Es ist für uns das optimale Familiensegelwetter, strahlenden Sonnenschein mit Westwind Stärke 3. Wir sind nicht die schnellsten, aber das wollen wir auch nicht sein.

Der Autopilot ist ein netter Kollege.

Die Kinder schreiben eine Flaschenpost, die jetzt wohl irgendwo in Schweden am Strand herumkullert, denn wir haben noch keine Antwort erhalten.

Ein Bagger baggert das Landtief aus, damit die großen Pötte durchkommen.

Nachdem der Wind fast ganz eingeschlafen ist, rasen wir mit 1,5 Knoten um die letzten Tonnen vor der Einfahrt in den Peenestrom. Diese Nacht wollen wir nicht ankern, weil wir nicht sicher sind, wann der böse Wind kommt. Und die Aussicht, nachts auf unbekanntem Gewässer mit slippendem Anker unterwegs zu sein, gefällt uns nicht. Also steuern wir den Hafen Peenemünde an. Im Hafen liegen ein U-Boot, ein paar Ausflugsdampfer, ein Fischer, ein Museums-Torpedoboot und etwas dahinrostender, aber noch schwimmender Schiffsschrott. Wir drehen eine Besichtigungsrunde, bei der uns die Besucher des 80 m langen Museums-Bootes von oben herunter den wichtigen Hinweis geben, dass wir selbiges nicht kaputtfahren sollen. Wir möchten uns ausdrücklich dafür bedanken, denn bei dem Tarnanstrich hätten wir es wirklich fast nicht gesehen. ;-)

Der Hafen ist nix für Sportboote, aber daneben gibt es einen Segelverein, der genügen freie Liegeplätze für uns hatte. Freundlicherweise sind die hinteren Pfähle der Boxen sehr elastisch, also optimal für unsere gut eingespielte Crew. Bevor wir größeren Schaden anrichten konnten, kam ein Freund und Helfer der Küstenwache und übernahm die Festmacher.

 

Wegen des Wetters füllte sich der Hafen. Wir konnten ganz professionelle Anlegemanöver beobachten, bei denen ein Helfer nur gestört hätte. Es gab aber auch andere, die erst beim 5. Versuch so nah an den Steg kamen, dass jemand die Festmacher fangen konnte. Nun fühlten wir uns gar nicht mehr so schlecht, immerhin hatten wir es beim ersten Anlauf in die Box geschafft.

In Peenemünde kann man optimal drei Schlechtwettertage verbringen. Deshalb kamen nun auch der Dienstag mit Wind 6 Böen 8, der Mittwoch mit Wind 7 Böen 9 und der Donnerstag mit Wind 6 Böen 7. Unser optimistischer Windmesser hat im Hafen Böen mit 41 Knoten gemessen. Der pessimistische Windmesser des Nachbarbootes kam nur auf 30 Knoten.

Wir waren froh, an einem historisch so bedeutenden Ort festzusitzen, den in Peenemünde gibt es

das Museum der Raketenbauer mit viel ausgestelltem Zeugs, was irgendwann mal durch die Luft geflogen ist,

das russische U-Boot (ein besseres Foto finden wir nicht mehr, deshalb hat das U-Boot hier Masten für Segel),

die Phänomenta mit herrlich großen Seifenblasen und weiteren hunderten Experimenten, einen Kinderspielplatz und früh frische Brötchen vom Bäcker. Der Ort hinterlässt auf jeden Fall einen bleibenden Eindruck. Ohne den Starkwind hätten wir Peenemünde sicher nicht angesteuert....

Weil für den Donnerstag "nur" West 6 Böen 7 angesagt waren, wollten wir noch mal ein wenig segeln.

Von Peenemünde zum Ruden

12. August 2005

Bei Windstärke 6 sollte man mit einer Familiencrew nicht übers Meer fahren, um keine Ehekrise zu riskieren. Der Weg ins Achterwasser wäre durch die unpassenden Öffnungszeiten der Brücke Wolgast zu weit geworden, immerhin müssen wir am Freitag um 17:00 Uhr wieder in Greifswald sein. Also wohin nun?

Der Ruden war das nahe liegende Ziel.

Wir drehten also noch einmal eine Abschiedsrunde durch den Hafen und machten uns auf die mit 5 Seemeilen gigantisch lange Strecke. Auf dem Bodden wurden trotz der Abdeckung durch große Flachwasserbereiche die Wellen schon unangenehm. Aber Raumschots konnten wir schön segeln. Man muss nur aufpassen und die in den Wellen tanzenden Tonnen des Osttiefs finden, sonst fährt man leicht auf die Sandbänke. Direkt neben der Fahrrinne ist das Wasser mitunter nur einen halben Meter tief.

Hinter uns kam die Fähre mit Touristen, die mehrmals täglich ab Peenemünde den Ruden anläuft. Heute fuhr sie nur einmal mit wenig Gästen. Es war doch zu ungemütlich. Der Hafen auf dem Ruden wurde durch die Grenztruppen der DDR errichtet und liegt bei West sehr geschützt. Wir bekamen einen guten Liegeplatz direkt an der Spundwand und mussten nur noch die Fender so zurechtrücken, dass sie nicht in die Lücken rutschen. Bereits an der Wand hängende Fenderbretter waren eine Hilfe.

Nach diesem langen (eine Stunde) Törn konnten wir auf Entdeckungsreise auf der unter Naturschutz stehenden Insel gehen. Sie wird nur von einem Ehepaar bewohnt (Hafenmeister und Hafenmeisterin). Diese kommen abends gegen 6 vorbei und kassieren 0,50€ pro Meter Schiff. Es gibt keinen Stromanschluss, keinen Wasserhahn und keine Mülltonne.

Das Wetter ist immer noch ungemütlich, wie wir auch an der "Wetterstation Ruden" ablesen können (der Stein hat sich bewegt und war nass):

Wir starteten eine Besichtigung der Insel auf dem vorgeschriebenen Rundweg. Ein Blick nach unten hilft, wenn man keine an den Schuhen klebenden Schafs-Kaffeebohnen mit ins Boot schleppen will.

Am Südende der Insel steht kurz vor dem Steinwall ein Beobachtungsturm. Dieser wurde von den Raketenbauern in Peenemünde genutzt, um die Flugbahn der gestarteten Raketen zu verfolgen. Jetzt beinhaltet er eine Ausstellung.

Wir hatten sowieso nichts anderes vor, also konnten wir alle Exponate ausgiebig betrachten.

Das Wetter war ausgezeichnet zum Quallenfischen geeignet.

Wir konnten auch die Natur bewundern.

Als es uns zu langweilig, zu kalt und zu nass wurde, gingen wir ins Boot zurück. Dort quakte ein "Mayday" aus der Funke, um uns die Langeweile zu vertreiben.

Die DGzRS war schneller und nahm den Notruf entgegen. Zunächst klang alles sehr dramatisch: Ein Segelboot hatte zwischen Greifswalder Oie und Ruden Wasser im Schiff und der Motor springt nicht an. Der Rettungskreuzer "Fritz Behrens" machte sich auf den Weg. Er suchte das sinkende Boot und bekam auf Nachfrage gesagt, dass selbiges noch voll unter Segeln seinen Kurs lief, das Wasser in der Bilge stieg auch nicht an, sondern gurgelte dort wohl schon seit einigen Stunden hin und her. Also war wohl das einzige Problem der nicht mehr anspringende Motor. Tja, die Charterskipper fallen eben leicht in Panik, wenn sie bei 6 Windstärken über die Ostsee brettern.

Wir freuten uns jedenfalls, mal einen Rettungskreuzer in Aktion zu sehen. Das Tochterboot "Anna" wurde ausgesetzt und sollte den Havaristen einschleppen. Nun musste der erst mal die Segel bergen und sich entscheiden, zu welcher Werkstatt er denn nun geschleppt werden will. Leider gibt es auf dem Ruden nichts derartiges, so dass wir den Schleppzug nur durch das Fernglas beobachten konnten. Der Rettungskreuzer wurde im Moment nicht gebraucht und machte im Hafen Ruden fest.

Der Rettungskreuzer mit seinen 80 Tonnen war beeindruckend. Es ist schon beruhigend, wenn man im Notfall mit professioneller Hilfe rechnen kann.

Vom Ruden nach Greifswald

Freitag, der 13. August 2005

Nach dem Frühstück warten wir auf besseres Wetter, ohne Regen und ohne Wind.

Die Wartezeit kann man mit einem Gameboy verbringen.

Oder mit kochen.

Oder mit einem Blick auf die schöne Landschaft.

Oder mit einer Wanderung durch den Hafen und über den Rundweg.

Leider ließ sich das Wetter nicht beeindrucken, es blieb bei West 6 Böen 7. Und wir mussten über den Bodden genau gegenan. Mit dem Fernglas konnten wir sehen, wie der Bug der großen Pötte auf dem Bodden regelmäßig in weißer Gischt verschwand. Der Wetterbericht sagte für nachmittags nur noch West 5 an. Aber wann beginnt der Nachmittag?

An einem Freitag, dem 13. und mit der Erinnerung an die gestrige "Seenotrettung" entschieden wir uns dann doch mittags, gemeinsam mit einem anderen Boot nach Greifswald zu starten. Im Wind- und Wellenschatten des Ruden wurde alles fest verzurrt, und dann ging es los. Die Wellen waren zwar nur zwischen ein und zwei Meter hoch, aber durch die geringe Wassertiefe im Bodden ziemlich steil. Unser optimistischer Windmesser zeigte wieder über 40 Knoten an, das andere Boot mit dem pessimistischen Windmesser nur 30 Knoten. Es reichte aber trotzdem.

An Segeln war nicht zu denken. Es ging mit Vollgas bis zum nächsten Wellenberg, dann Gas weg und Platsch. Es ist ein komisches Gefühl, wenn das gemütliche Wohnzimmer der Ferienwohnung, in der man die letzte Woche verbracht hat, plötzlich zwei Meter hohe Sprünge macht. Marco freute sich über die kostenlose Achterbahn. Die Frauen hielten sich so fest, dass sie noch am nächsten Tag Muskelkater hatten. Ulf bekam trotz des sehr hoch gelegenen CenterCockpit jede Minute eine kostenlose Salzwasserdusche, wenn er sich nicht rechtzeitig hinter die Sprayhood duckte. Von der Überfahrt gibt es leider keine Fotos, weil die Digicam das wohl nicht überlebt hätte. Außerdem wollte keiner fotografieren.

Nach 3 Stunden wurde es langsam ruhiger, weil die Wellen nicht mehr so viel Zeit hatten, sich aufzubauen. Die Muskeln entkrampften sich, der Lebensmut stieg und der Ostfriesen-Nerz wanderte in die Backskiste.

So schafften wir noch pünktlich die Brückenöffnung in Wieck. Das Anlegen an der Tankstelle und am Liegeplatz in Greifswald war zwar auch noch mal eine Herausforderung, immerhin hätten wir ja den Anleger oder die Tanksäule zu Schrott fahren können. Aber nach dieser Tour waren wir irgendwie viel ruhiger geworden.

Nach diesem Segelurlaub und insbesondere nach dem letzten Tag waren sich fast alle einig, dass wir 2006 ein Hausboot in einem Binnenrevier chartern werden.

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