Nachdem wir bisher immer mehr oder weniger laute Motorboote und ein Elektroboot gechartert hatten, entschieden wir uns diesmal für eine Segelyacht.
Auf der Ostsee kann man mit dem Sportbootführerschein See sowohl Motor- als auch Segelboote chartern. Dies scheint eine Lücke im deutschen Zeugnisprüfungsberechtigungserlaubnisführerscheindschungel zu sein, denn als Voraussetzung für den SBF See mussten neben einigem Papierkram nur einige Runden mit einem 4m-Motorboot auf der Elbe gedreht werden. Um mit einer Jolle auf einem Baggersee zu fahren, braucht man in Sachsen schon einen Segelschein. Aber für eine Yacht muss man nicht nachweisen, dass man segeln kann.
Zur Vorbereitung wurden noch einige Runden mit einer Yxilon auf dem Senftenberger See gedreht. So viel anders funktioniert eine Kielyacht ja auch nicht, immerhin hat sich auch nur Vor- und Großsegel. ;-)
Um die Crew zu verstärken, kam Ulf`s Schulfreund Matthias als "Smutje und Deckshand" mit. Jetzt hätten zwei Erwachsene gleichzeitig ins Wasser fallen können...
Wir charterten die "El Marlu", eine Sun-Odyssey 32.2 bei Mola. Charterstützpunkt ist der Hafen Breege. Leider staut sich samstags der Verkehr nach Rügen besonders in Stralsund am Rügendamm. Aber mit einem kleinen Umweg durch die Innenstadt konnten wir abkürzen, so dass wir insgesamt nur ca. 2,5 Stunden im Stau gestanden haben. Pünktlich um 17:00 Uhr waren wir im Hafen. Auf den Yachten herrschte noch Hektik, es wurde repariert und umgeräumt. Die Übergabe erfolgte erst 19:00 Uhr, so dass wir an diesem Abend im Hafen blieben. Der Hafen in Breege ist von Freitag zu Samstag völlig überfüllt, wer nicht dort chartert, sollte einen großen Bogen um den Hafen machen.
Wir richteten uns in der Yacht ein. Für uns als bisherige Hausbootfahrer war es ein völlig neues Gefühl, diesmal im "Keller" zu wohnen. Eine Segelyacht hat die Fenster viel höher als ein Hausboot, da bei starker Krängung die Fenster ja nicht unter Wasser liegen dürfen. Der Platz reichte aber für 5 Personen.
Nach einer gemütlichen Nacht (die an den Mast schlagenden Fallen haben wir erst am nächsten Tag zur Seite gebunden) konnte das Segelvergnügen beginnen.
Nach dem Frühstück ging es nun auf große Fahrt. Das "Ausparken" aus der Box funktionierte sogar, und wir haben auch keinen Festmacher um den Propeller gewickelt. Vor dem Hafen Breege liegen die Saalsteine knapp unter der Wasseroberfläche, man sollte also erst einmal einen Blick in die Karte werfen, bevor man losfährt.
Zum Ausprobieren der Segel suchten wir uns eine geschützte und genügend große Wasserfläche aus, den Jasmunder Bodden. Den Weg dorthin hat uns der Motor geschoben, denn wir wollten nicht unbedingt die ausgetonnte Route verlassen.
Das Segeln an sich ist ja ein wenig Hexerei. Während alle Gegenstände immer vor dem Wind hergeweht werden, kann man mit einem Segelboot auch Quer zum Wind und sogar ein wenig gegen den Wind fahren.
Es gibt Leute, die begreifen das. Die können segeln.
Und es gibt Leute, die begreifen das nicht. Die müssen dann immer an irgendwelchen Strippen ziehen, von denen sie nicht wissen, wohin sie führen. Und wenn dann irgendwas flattert oder das Schiff etwas mehr krängt, dann ist das alles unheimlich. Nun musste die Crew gegen das Unheimliche kämpfen...
Auf dem Bodden haben wir uns eine Stelle gesucht, die weit genug von allen festen Gegenständen (Tonnen, andere Boote, Ufer, Grund, Steine ...) entfernt war. Der Motor durfte im Leerlauf mittuckern und dann ging es los. Zuerst wurde das Vorsegel (Genua) ausgerollt. Die 2 bis 3 Windstärken verirrten sich im Segel und wir fuhren gaaanz laaaangsam vorwärts.
Nun wurde das Groß auseinander getütelt, und schon ging es ein wenig schneller vorwärts.
Als nächstes war Manövertraining angesagt: Halse, Wende, Beiliegen, Mensch-Über-Bord mit Q-Wende und Schnellstopp.
Fazit: Wir einigten uns darauf, dass in Zukunft nicht alle Männer gleichzeitig über Bord fallen dürfen. Falls das doch mal passieren sollte, wurde den Frauen gezeigt, wo die Klemmen der Fallen sind, mit denen man aus schönen Segeln chaotisches Tuchwirrwar machen kann, um das Boot anzuhalten.
Dann fiel der Anker und Matthias kochte das erste seiner vorzüglichen Mittagsmenüs.
Um unseren Speiseplan abwechslungsreich zu gestalten, bemühte sich Matthias auch seit dem ersten Tag um frischen Fisch (leider wenig erfolgreich):
Nachdem wir nun segeln konnten, ging es ohne Motor bis nach Ralswiek. Es dauerte bis zum Abend, weil der Wind immer wieder einschlief. Aber wir hatten ja Urlaub, und da sollte man sich nicht abhetzen. Eigentlich wollten wir Störtebecker-Festspiele ohne Eintrittskarte vom Wasser aus betrachten, aber leider waren wir am falschen Tag da, und es gab keine Vorstellung. Dafür war es schön ruhig.
Wir badeten noch einmal, es gab Abendbrot, und dann ging es in die Koje.
Kurz vor Mitternacht fing es im Rig an zu heulen, die Ankerkette polterte, ringsum blitzte und donnerte es und der Ankeralarm des GPS piepste. Also noch ein wenig Ankerwache gehen und nachschauen, ob das Gewitter nicht den Anker aus dem Schlamm zieht.
Das Gewitter verschwand, der Rest der Nacht war wirklich ruhig.
Am Morgen funktionierte das Radio nicht. Der Spannungsmesser zeigte 11 V, das ist etwas wenig. Wir beschlossen, zurück nach Breege zu segeln, um die Bordbatterie austauschen zu lassen.
Der Wind frischte auf West 4 bis 5 auf, so dass wir jetzt auch einmal das Kreuzen üben konnten. Die Einfahrt nach Breege war problemlos, und wir fuhren auch weder die Dalben, noch den Steg kaputt. Die Aussage des Mola-Technikers war enttäuschend: Wir sollten die Batterie noch ein wenig laden, und dann mal sehen, ob sie in der nächsten Nacht wieder leer ist. Eine neue Batterie hätte er sowieso nicht da. Wahrscheinlich liegen die Mola-Charterkunden immer in Häfen mit dicker Landstromversorgung, so dass niemand auf die Batterien achtet.
Wir nutzten den Nachmittag zum Einkaufen und entschieden uns, aufgrund der Windstärke die Nacht im Hafen zu verbringen und die kaputte Batterie noch ein wenig mit Strom zu füttern.
Am nächsten Morgen ging es bei Ost 3 bis 4 (Rückenwind!) durch die Wittower Fähre ins Wasserstraßenchaos vor Hiddensee.
Wer dort fährt, muss ganz genau die Seekarte lesen. Es gibt viele Tonnen in vielen Farben für viele Wasserstraßen. Wenn man sich irrt, fährt man schnell auf. Direkt neben den Wasserstraßen stehen die Vögel im Wasser. Eine Segelyacht hat meist einen Kiel, der länger ist als ein durchschnittliches Vogelbein.
Wer später einmal Skipper werden will, muss schon jetzt Knoten üben.
Und damit das nicht zu einfach wird, muss man sich dazu eine komplizierte Stellung suchen:
Hiddensee haben wir wegen der vielen dorthin fahrenden Boote gemieden, Mittagspause war vor Schaprode.
Anschließend segelten wir weiter nach Stralsund, denn für den Abend und den nächsten Vormittag war Regen angesagt.
Man muss im Stralsunder Stadthafen vor 17:00 Uhr ankommen, um eine gute Auswahl an freien Liegeplätzen zu haben. Um 17:20 öffnet die Ziegelgrabenbrücke, und dann wird es schnell voll.
Wir waren pünktlich da und fanden einen guten Platz an einem Schwimmsteg. Nun konnte der Regen kommen, und er kam auch.
Der Wetterbericht hatte Recht behalten, es regnete. Da es in Stralsund ein Meereskundemuseum mit dichtem Dach gibt, wollten wir dieses nun besuchen. In dem Museum gab sogar "echte" Pinguine:
Als wir aus dem Museum kamen, war der Regen verschwunden.
Wir suchten auf der Karte nach einem schönen Ankerplatz, denn wir mögen Häfen nicht so besonders. Dort konnte Marco zwar mit dem Jungen vom Nachbarboot auf Quallenfang gehen, aber es ist immer irgendwie Campingplatz-Atmosphäre.
Also tuckerten wir noch eine Runde um den im Hafen abgestellten Großsegler "Gorch Fock I" ex "Towarischtsch". Dann ging es zum Barhöft. Vor dem Bock gibt es direkt neben dem Naturschutzgebiet einen gut geschützten Ankerplatz. Abends kommt die Nationalparkverwaltung mit einem Motorboot und erklärt denjenigen, die auf der falschen Seite der gelben Tonnen geankert haben, dass sie auf der falschen Seite der gelben Tonnen geankert haben. Also lieber vorher einen genauen Blick in die Karte werfen!
Weil wir ja immer noch die kaputte Batterie hatten, hingen wir eine gut rußende Petroleumlampe auf und hofften, dass der Wind diese bis zum Morgen nicht ausbläst. Der Wind war freundlich. Die Petroleumlampe brannte früh noch, aber das elektrische Ankerlicht war wieder aus.
Alle anderen Ankerlieger um uns herum waren bereits verschwunden, sie wollten sicher nach Rostock oder Dänemark. Wir fuhren auch los und begannen unseren ersten Törn über das offene Meer. Es ging außen um Hiddensee herum. Das Wasser wurde klarer, die Wellen gemütlicher (längere Periode).
Bei West 3 wollten wir das Groß ganz ausrollen, da machte es Ratsch.... Das Segeltuch hatte nach vielen Jahren in der Sonne eine pergamentartige Konsistenz angenommen und war gerissen. Zum nähen oder kleben war nichts an Bord. Also ab jetzt nur noch mit Genua weitersegeln. :-(
Marco überprüft mal wieder, ob der Notausgang aus der Vorderkajüte groß genug zum durchklettern ist.
Wir fuhren nach einer Pause vor dem schönen Leuchtturm auf dem Dornbusch weiter in Richtung Dranske, um einen ruhigen Ankerplatz für die Nacht zu finden. Beim abendlichen Wurmwässern biss dann auch unser erster, einziger und größter Fisch an.
Am Freitag ging es zurück nach Breege, gegen den Ostwind leider meist nur mit Motor.
Es war ein wunderschöner Urlaub, das nächste Mal segeln wir wieder.