Törnbericht - Mit dem Hausboot Voyager 860 über die Müritz - Teil 1

So zeitig wie dieses Jahr erlebten wir noch nie Ostern, Himmelfahrt und Pfingsten. Ostern hat uns dann auch nicht enttäuscht und die entsprechenden Schnee- und Graupelschauer gebracht. In Erwartung von ebenso kalten Himmelfahrts- und Pfingsttagen wollten wir diesmal auf unseren Frühjahrstörn verzichten.

Aber es kam anders. Himmelfahrt paddelten wir bei strahlendem Sonnenschein durch den Spreewald...

... und der Wetterbericht versprach noch schöneres Wetter zu Pfingsten. Also machten wir eine Last-Minute-Buchung bei Woterfitz. Diese Firma verchartert nicht nur Hausboote, dort werden auch die Voyager 860 gebaut. Wir hatten schon gute Erfahrungen bei einem Törn mit dem Vorgängermodell, einer Voyager 780 machen können.

Wir quälen uns am Freitag, dem 9.5.08 über die verstopfte Autobahn nach Mecklenburg. Für diesen Stop&Go-Verkehr ist die Software des Toyota-MMT-Getriebes nicht geeignet. Insgesamt drei mal schaltet es auf "Neutral" und wir dürfen auf den Standstreifen rollen. Reparatur: Ausschalten der Zündung für mindestens 2 Minuten, dann gibt's einen Reset und alles funktioniert wieder. Auch wenn andere Toyota-Besitzer in zahlreichen Foren über das Problem schreiben, zuckt man in unserer Werkstatt die Schultern und stellt das Kupplungsspiel nach. :-(

Der Vercharterer ist zum Glück flexibel, wir verschieben per Handy den Übergabetermin auf den späten Abend. Im Hafen "Bolter Kanal" wartet die "Witwe Bolter" auf uns. Wir laden schnell ein. Dann dürfen wir unter Aufsicht eine Proberunde drehen. Die Boote werden führerscheinfrei vermietet, und so sieht der Vercharterer gleich zu Beginn der Reise, mit welchen Schrammen und Beulen er bei der Übergabe rechnen muss. ;-)

Das Boot hat einen Flüssiggas-Motor. Sowas gibt's doch an keiner Wassertankstelle?! Wir sollen uns keine Sorgen machen, die 130l Gas hat angeblich noch niemand in einer Woche leergefahren oder leergekocht oder leergeheizt. Das Gas ist (wie alle Nebenkosten) im Charterpreis enthalten.
Wir freuen uns über das gute Platzangebot, Kirsten kann jede der zahlreich vorhandenen und zweckmäßig ausgebauten Ecken als Stauraum nutzen. Und so verschwindet der mitgebrachte Krimskrams.

Ulf ist glücklich, weil er mal wieder am Rad drehen darf.

Das Boot ist komplett ausgestattet. Auch die Navi-Lichter funktionieren. Leider gilt die Haftpflicht-Versicherung nicht für Nachtfahrten. Wir müssen uns beeilen, um noch vor Sonnenuntergang einen gemütlichen Ankerplatz zu finden. Auf der Müritz wollen wir nicht ankern.

Das Leuchtfeuer arbeitet noch nicht,

als wir in Richtung kleine Müritz fahren. Vor uns fährt ein Kuhnle-Bügeleisen.

 

Hinter der ersten Landzunge, die genügend Windschutz bietet, fällt der Anker. Nun können wir den Sonnenuntergang genießen.

Die Kinder klarieren das Boot, was zu sehr ordentlichen Schnecken an Bord führt.

Am Samstag (10.5.) früh ist das Wasser spiegelglatt. Wir hätten uns die Fahrt zur geschützten Bucht sparen können, aber das weiß man ja vorher nie. Nicht nur wir freuen uns auf ein ausgiebiges Frühstück.

Durch den fehlenden Winddruck hat sich die Ankerleine vertütelt. Es ist dummerweise eine Schwimmleine. Bei unserer letzten Tour haben wir mit so einer schwimmenden Leine ein sehr dicht vorbeirasendes Motorboot abrupt abgebremst. ;-)

Wir haben Verständnis für den Vercharterer. Sicher haben schon viele Kunden den Anker geworfen, ohne vorher das andere Ende der Leine am Boot festzumachen. Dank der schwimmenden Leine findet man den Anker leichter als beim Tauchen über den Seegrund.

Als Frühsport wird eine Runde ums Boot geklettert. Warum ist die Sonne so früh am Morgen schon so fürchterlich hell?

Der Wassertest mit Finger und Zehe ergibt: Zu kalt!

Wir wollen die Kleinseenplatte mit den langen Schleusenwarteschlangen nicht noch einmal befahren. Deshalb geht's wieder über die Müritz. Diese ist bei Windstille ein sehr leicht zu befahrendes Gewässer. Marco fährt mit voller Geschwindigkeit (das GPS misst 10,5 km/h). Es ist schon erstaunlich, wie schnell ein Hausboot mit nur 5 PS fahren kann. Der Motor im Schacht stört auch bei Vollgas kaum, aber um den Lärm, die Wellen und den Verbrauch zu reduzieren, wird der Hebel etwas zurückgenommen. 9 km/h reichen auch zum "Wasserwandern" aus.

Die Müritz ist immer noch spiegelglatt (mit Ausnahme der Wellen hinter uns). Ein wenig Abwechslung bieten die in großer Zahl ausgelegten Tonnen und das Spinnen von Seemannsgarn.

Es gibt kleine Tonnen und große Tonnen. Wenn an Stelle einer kleinen Tonne eine große aufgestellt wird, dann schreibt das Wasser- und Schifffahrtsamt auf die Tonne, dass die große Tonne eigentliche eine kleine Tonne sein soll. Hierfür sind nach Großtonnenkennzeichnungsverordnung weiße, mindestens 10 cm hohe lateinische Schriftzeichen zu verwenden. Beim Ersatz einer großen durch eine kleine Tonne genügen hingegen nur 5 cm hohe Schriftzeichen, da größere Schriftzeichen auf der Tonne keinen Platz haben würden. Um die Sichtbarkeit dieser großen Kleintonnen zu erhöhen, ist nach Kleintonnenkennzeichnungsverordnung zwangsweise die Anwesenheit eines Seevogels auf der Tonne erforderlich. Dieser hat alle passierenden Schiffe deutlich hörbar mit einem Warnschrei anzurufen.

P.S.: Nein, der Erwerb eines Sportbootführerscheins hat keine schädigenden Auswirkungen auf die Psyche des Führerscheinbesitzers.

Damit dieser Törnbericht entstehen kann, müssen fleißig Fotos (insbesondere von Tonnen) geschossen werden. Daran beteiligt sich die ganze Familie.

Nun fahren wir an der schönsten und seltensten Tonne vorbei, der rot-weißen Tonne "Müritz-Mitte". Diese gibt es nur ein einziges Mal weltweit.

Als Landmarke dient uns das Schloss Klink. Es leuchtet weiß über den See und ist schon von dessen gegenüberliegendem Ufer zu sehen.

Oh, jetzt hätten wir uns fast verfahren. Das war die Bettenburg Klink. Das Schloss ist etwas unauffälliger.

Wir fahren weiter in Richtung Binnenmüritz nach Waren.

Dort parken wir unsere "Witwe Bolter" am Steg (Nein, das ist kein Tippfehler; die Witwe wurde nach dem Kanal benannt, nicht nach Wilhelm Busch). Beim Hafenmeister kaufen wir 'ne Portion Strom, um die Service-Batterien aufzuladen. Das Ankerlicht brauchen wir in der nächsten Nacht wieder, damit uns niemand bei Dunkelheit kaputtfährt.

Mittagessen gibt's beim Hafen-Chinesen (sehr empfehlenswert).

Das Boot ist versorgt, wir sind versorgt. Jetzt steht Kultur auf dem Plan. Wir besichtigen die sehr schön restaurierte Stadt (und testen das dort angebotene leckere Eis).

Die Marienkirche wird besichtigt. Der Turm ist besteigbar.

Wir steigen neben den Glocken nach oben. Vorsicht: Dort ist es jeweils zur vollen Viertelstunde sehr laut.

Von oben haben wir eine grandiose Aussicht auf den Hafen ("Witwe Bolter" ist noch festgemacht) ...

... und die Binnenmüritz.

Im Turm wohnen auch Fledermäuse, aber von denen sehen wir nur diesen Haufen.

Das war erst mal genug Kultur. Wir legen wieder ab und werfen nochmal einen Blick zurück auf die Stadt.

Durch den Reekkanal geht es unter einer Brücke hindurch, die sicher schon tausende Segler wegen des nötigen Legens des Mastes verflucht haben.

Auf dem Kölpinsee wird geankert. Wir sind nicht allein, die Stelle gefällt vielen.

Sicher hängt das mit dem warmen und klaren Wasser zusammen, wir messen 18°. Das ist genau die richtige Abkühlung an diesem schönen sonnigen Nachmittag.

Wir beschließen, auch die Nacht hier zu verbringen. Diesmal gibt es kein romantisches Sonnenuntergangsfoto, sondern ein romantisches Angelbootfoto.

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