Flusskreuzfahrt mit der MS Sans Souci im März 2019

Inhalt
Von Berlin zur Oder
Auf der Oder nach Polen ->
Die Oder entlang durch Niederschlesien ->
Breslau ->
Breslau - Steinau ->
Oderabwärts ->

Von Berlin zur Oder

Im März macht das Fahren mit dem eigenen Boot noch keinen Spaß - die Kälte kriecht aus allen Ritzen. Mit AIDA könnten wir zwar auch fahren, aber da kennen wir schon fast alle zu dieser Zeit angebotenen Routen. Also was machen wir nun im März 2019?

Facebook kam uns zu Hilfe. Dort hatte jemand auf das Video der "MS Sans Souci" verwiesen, die im März 2018 als "Eisbrecher" in die Schleuse Bernburg fuhr. Faszinierend! Der Hintergrund dieser Aktion war wohl ziemlich ernst: Das Schiff war als Unterkunft für die Messe ITB in Berlin ausgebucht, lag aber wegen der langen Frostperiode 2017/18 noch an der Saale - also Augen zu und durch.

Bei der Gelegenheit stellten wir fest, dass die MS Sans Souci sehr interessante Routen fährt. Also nicht Rhein und Donau wie fast alle anderen. Das ist was für uns! Kirsten wollte mal wieder nach Breslau und Ulf mit der oberen Oder eine völlig unbekannte Wasserstraße erleben. Wir buchten also eine preiswertere Kabine auf dem unteren Deck. Dort kann man zwar das Fenster nicht öffnen, aber im März ist das nicht so schlimm. Nach unseren Erfahrungen mit Nico und den "fremden Leuten" vor dem Fenster beim Päckchen-Liegen wollten wir lieber einen kleineren Einblick haben.

Wenn man im März in den Urlaub startet, kann man keinen Frühsommer erwarten. Aber sowas muss doch nicht sein, oder?

Koffer packen

Der Zug hat fast eine Stunde Verspätung, aber das stört uns nicht - im Dresdner Hauptbahnhof gibt's 'ne DB Lounge, da können wir die Zeit mit Kakao und Cola überbrücken. In Berlin geht's mit S- und U-Bahn bis Alt-Tegel. Der Kreuzfahrt-Anleger an der Greenwichpromenade ist nur zu Fuß zu erreichen, wir stapfen mit den Koffern durch den Regen bis zum Schiff und sind froh, dass wir auf dem Weg nicht von Moby Dick geschnappt werden.

Moby Dick

Mit Müh und Not erreichen wir unser Schiff.

Kreuzfahrt-Anleger Tegel

Bei diesem Schmuddelwetter kann man nur in die Koje springen. Von dort gibt's wenigstens einen schönen Blick auf das Heck der "Mecklenburg", die neben uns liegt und auf Passagiere wartet.

Fensterblick

Am Sonntag geht's dann wirklich los. Nach dem Frühstück verschwinden die Gäste, die eine Berlin-Tour mit dem Bus gebucht haben. Wir verschwinden nicht, denn wir machen eine Schiffs- und keine Bus-Reise. Da wollen wir die Landschaft vom Schiff aus erkunden. Das ist für uns kein "schwimmendes Hotel", das immer mit dem Bus mitfährt, sondern das gewünschte Verkehrsmittel. Es geht über den Tegeler See, dann biegen wir stromauf in die Havel ein. Draußen ist es immer noch schmuddelig, also betrachten wir die Natur durchs Salon-Fenster. Im Salon ist genügend Platz für alle Passagiere. Und weil so viele im Bus sitzen, können wir uns richtig breitmachen. Draußen schwimmen Kanada-Gänse vorbei. Die haben an manchen Stellen die Graugänse erfolgreich verdrängt. Es ist schlimm mit diesen Migranten, die Kanadisierung des Abendlands droht!

Kanada-Gänse

Oberhalb von Heiligensee ist die Havel nicht mehr so hübsch. In Hennigsdorf wird Schrott umgeladen. Der Transport per Binnenschiff ist unschlagbar günstig und auch ökologisch. Ein Binnenschiff ersetzt bis zu 60 LKW. Der Schrott hat's auch nicht eilig, nix just-in-time, also ist er die pefekte Ladung. Nur wenn eine Wasserstraße längere Zeit nicht befahrbar ist, wird es unangenehm. So hatten die Tankstellen im trockenen Sommer 2018 ein Nachschub-Problem, als der Rhein kaum noch befahrbar war. Im Frühjahr 2019 wird kurz nach unserer Fahrt in Oranienburg eine Bombe neben dem Kanal gefunden, Sperrung für 6 Wochen...

Schrott in Hennigsdorf

Zum Verladen wird ein gewaltiger Magnet genutzt - sehr anziehend!

Kran-Magnet

Und dann geht's in den Schmelztiegel.

Schmelztiegel in Hennigsdorf

Es geht weiter die Havel zu Berg nach Oranienburg. Die Ufer werden schöner, es gibt Natur zu sehen. Der Biber erobert sich langsam die Gegend zurück. Hier scheint er zu wohnen.

Biberbau

Nachgucken können wir nicht, dafür fahren wir viel zu schnell - mit ca. 9 km/h. Es ist wirklich Frühling, Kraniche sind zu sehen und noch öfter zu hören.

Kranich

Wir erreichen die Schleuse Lehnitz. Dort werden wir auf die Scheitelhaltung des Oder-Havel-Kanals hochgeschleust. Die Schleuse Lehnitz war in den letzten Jahren immer der Engpass für die Sportschiffahrt im Sommer, hier staut sich alles, was in Richtung Werbellinsee und in Richtung Mecklenburger Seenplatte fahren will. Da in der Scheitelhaltung Wasser gespart werden muss, schleust man auch nicht so gern. Dieses Jahr geht bis August erstmal gar nix. Die Bauarbeiten an der Schleuse Zaaren haben sich wegen Verzögerungen durch Munitionsbergungen ein klein wenig verlängert. Das ist eine Katastrophe für die Firmen, die mit den Bootstouristen Geld verdienen müssen.

Schleuse Lehnitz

Ein paar Charterboote sind trotzdem schon unterwegs. Als wir ausfahren, düfen sie in die Schleuse Lehnitz.

Charterboote in der Schleuse Lehnitz

Im Oberwasser der Schleuse drehen wir rückwärts in den Klinkerhafen ein. Hier sollen die Berlin-Bus-Fahrer wieder an Bord kommen. Der Klinkerhafen hat eine sehr unschöne Geschichte, er war Verladestelle des Klinkerwerks Oranienburg, einer Außenstelle des KZ Ravensbrück. Während dieser Fahrt holt uns die deutsche Geschichte immer wieder ein. Viele Passagiere fahren nach Schlesien, um die "alte Heimat" noch einmal zu sehen. Allgemeines Fazit: Krieg ist das Schlimmste, was passieren kann. Wir können so froh sein, dass wir davon die letzten 70 Jahre verschont geblieben sind. Und wir sollten alles dafür tun, dass wir unsere Probleme nicht auf andere übertragen, die dann mit den durch uns hergestellten Waffen Stellvertreterkriege führen.

Klinkerhafen Oranienburg

Es geht weiter an der Zerpenschleuse vorbei. Diese Schleuse war nach dem Bau des "Hohenzollernkanals" (des heutigen Oder-Havel-Kanals) in den Jahren 1924/25 zugeschüttet worden, weil der Finow-Kanal seine Bedeutung als Wasserweg verloren hatte. Nun ist so ein schnurgerader Kanal nicht gerade attraktiv für Sportboote - man schläft beim Rudergehen ein, weil es immer nur geradeaus geht.

Die "Wasserinitiative Nordbrandenburg" hat es geschafft, den unbefahrbaren Rest des Finow-Kanals, den "Langen Trödel", wieder schiffbar zu machen, die Schleuse wurde neu gebaut.

Zerpenschleuse

Direkt daneben ist ein Urlauber-Ghetto entstanden - nicht unser Geschmack.

Feriendorf Zerpenschleuse

Weiter geht's den schnurgeraden Kanal entlang nach Eberswalde. Wir passieren einige Brücken. Die werden im Zug des Ausbaus der Wasserstraße bis Stettin auf 5,25 m angehoben, damit künftig ein zweilagiger Container-Transport möglich wird.

Brücken

In Eberswalde gibt es einen Binnenhafen. Mehr ist vom Ort nicht zu sehen.

Binnenhafen Eberswalde

Immerhin können die hier ihre Kräne selber bauen.

Hafenkran in Eberswalde

Der Kanal ist ein Meisterwerk der Ingenieurskunst. Er verläuft auf weiten Strecken deutlich über dem Gelände. Damit das Wasser nicht ausläuft, wurde eine Tondichtung verarbeitet. Beim Bau war langsame Schleppschiffahrt üblich, der Kanal ist für moderne schnelle Schiffe zu flach und zu schmal. Der Sog beschädigt die Tondichtung, so dass die Gefahr von Lecks besteht. Jahrelang war der Kanal auf der "Dichtungsstrecke" zwischen Marienwerder und dem Schiffshebewerk nur in einer Richtung befahrbar. Inzwischen sind viele Teilstrecken ausgebaut.

Sehr interessant ist die Überführung über der Eisenbahnstrecke Berlin-Stettin. Als wird diese passieren, fährt gerade ein Zug unter uns durch.

Eisenbahnunterführung Oder-Havel-Kanal

Wir erreichen Niederfinow. Rechts ist das alte Schiffshebewerk zu sehen, das wir benutzen werden. Das neue Hebewerk sieht schon fast fertig aus, soll aber wohl erst 2020 in Betrieb gehen. Da gibt es wohl einen Wettbewerb mit dem Flughafen BER....

Schiffshebewerke Niederfinow

Vor dem Schiffshebewerk gibt es noch ein Sicherheitstor. Dies soll die Wassermenge begrenzen, wenn die Kanalbrücke undicht wird. Die Kanalbrücke wurde übrigens nicht mit Schweineschwarten abgedichtet, auch wenn sich dieses Gerücht hartnäckig hält.

Unter dem Sicherheitstor darf niemand liegen. Ich würde mich da auch nicht hinlegen, das ist nass und unbequem. ;-)

Sperrtor Niederfinow

Das neue Hebewerk nebenan sieht gewaltig aus.

Schiffshebewerk Niederfinow

Um die einzelnen Schleppkähne ins Hebewerk zu fädeln, gab es früher Elektroloks. Jetzt fahren die Kähne selber, die Lok sieht gelangweilt aus.

Schlepplok in Niederfinow

Die MS Sans Souci schwimmt ganz artig an der Leine hinter der Schleusenmeisterin her. Das muss sie auch, denn wir wollen das Meisterwerk der Technik aus dem Jahr 1934 nicht kaputtmachen.

Einfahrt in Niederfinow

Dann geht's 36 m nach unten. Dafür wurden von 1926 bis 1936 ca. 5 Millionen Niete verbaut.

Schiffshebewerk Niederfinow

Damit der Kanal nicht ausläuft, gibt es vier Tore, zwei am Trog und je eins am oberen und am unteren Kanal. Das Schiffshebewerk steht im Trockenen. Hier ist das obere Kanaltor zu sehen.

Oberes Tor

Nach 5 Minuten sind wir unten angekommen. Das Wasser zwischen den Toren fließt ein, dann werden beide gehoben. Die Durchfahrtshöhe ist mit 4,20 m so niedrig, dass der Kapitän sein Steuerpult an den Seiteneingang heruntergefahren hat und von hier aus steuert.

Schiffshebewerk Niederfinow

Die Tore sind oben, wird dürfen ausfahren. Das machen wir gaaanz langsam.

Schiffshebewerk Niederfinow

Kaum sind wir draußen, springt die Crew schon auf's Oberdeck und bastelt die Geländer wieder zusammen. So können wir noch einen Blick von oben auf die beiden Schiffshebewerke werfen und ein paar schöne Fotos machen. Das Licht reicht dazu gerade noch aus.

Schiffshebewerke in Niederfinow

Vor dem neuen Hebewerk muss noch ein Kanal gegraben werden.

Baggerarbeiten vor dem neuen Schiffshebewerk Niederfinow

Im letzten Licht des Tages passieren wir Liepe. Dann wird es ganz finster.

Oderberg

Vor der Schleuse Hohensaaten drehen wir ab, obwohl die Ampel grün zeigt. Das ist komisch. Aber dann merken wir, dass Kapitän Peter Grunewald rückwärts in die Schleuse fährt. So etwas habe ich noch nicht erlebt. Sein Kommentar dazu: Dann muss ich morgen auf der Oder nicht wenden.

Die Nacht verbringen wir an den Dalben hinter der Schleuse Hohensaaten.

Weiter auf die Oder =>